Diese Geschichte beginnt am Fuße des majestätischen Schlosses einer Bergsteigerlegende. Und sie endet in den eisigen Höhen des Gletschers, der einst eine mystische Mumie freigab: Wer das Südtiroler Schnalstal besucht, muss stetig bergwärts streben und reist immer auch durch die Zeit. Diese Ecke Südtirols ist trotz weltberühmter Bewohner kaum bekannt, was treue Stammgäste und Bewohner:innen als großes Glück empfinden. Das Schnalstal ist ein Mikrokosmos, eine eigene kleine Welt, in der die Uhren noch im Takt der Menschen schlagen, die es mit Leben füllen. Und mit Tradition, Kultur und Kulinarik. In der fast schon mediterran anmutenden Weite des Vinschgau beginnt das 20 Kilometer lange Tal, Messners Schloss Juval thront wie ein Wärter am Taleingang.
Das Tal der fünf Dörfer und der sprechende Hof
Wie ungleiche Schwestern präsentieren sie sich, die Schnalser Dörfer: Das exponierte Katharinaberg mit seiner Kirche am Felsen und die andächtige Stille des Kartäusermonistariums in Karthaus stehen im wunderbaren Kontrast zum lebhaften „Unser Frau“, das charmante Dorf in der Talmitte, das dem Ötzi ein Museum unter freiem Himmel widmet. Kurz zuvor stehe ich, der Oberraindlhof. Seit 1581. Als Schlafstätte für alle, die das Besondere suchen. Als echtes Südtiroler Gasthaus, in dem mit jedem Gericht gelebteTradition kredenzt wird. Weiter nach Vernagt, es ist mysteriös und nachdenklich, was nicht zuletzt am Stausee liegt, dem einst Haus und Hof weichen musste. Wer den alten Kirchturm erspäht, ist ein Glückspilz. Nur bei Wassertiefstand zeigen sich Teile des versunkenen Dorfes. Zum Schluss kommt noch Kurzras, das Sportliche. Hier ziehen Skifahrer auf über 3.000 Metern am Glescherschnee schöne Schwünge. Und dann ist es nicht mehr weit, hoch in das uralte Eis, das mehr als 5000 Jahre lang das Geheimnis des verletzten Jägersmannes hütete.
Schnols ibr Olls
Etwas archaisch mag dieser Spruch anmuten und für Sprechende des Hochdeutschen kaum verständlich. Die wortwörtliche Übersetzung „das Schnalstal über Alles“ würde viel zu kurz greifen und fasst nicht den Kern jener tiefen Verbundenheit der Schnalstaler Bevölkerung, die sie mit diesen Zeilen auf den Lippen und im Herzen tragen. Voller Stolz und mit Starrsinn manchmal, aber übervoll mit Liebe. Wer hier zu Gast ist, spürt das. All das. Und so teilen sie freimütig, die „Schnolser“. Und wenn man meine Hofleute fragt, wo das Schnalstal denn am schönsten sei und was man als Besucher um jeden Preis tun und ja nicht lassen sollte, dann fangen ihre Augen an zu leuchten und es sprudelt nur so aus ihnen heraus:
- ein Teilstück des Meraner Höhenweges wandern
- das im Naturpark „Texelgruppe“ liegende Pfossental erkunden
- ein Gericht mit Schnalser Schaf essen
- den Hausberg bzw. Gipfel zur „Schröfwand“ erklimmen
- die Rückkehr der Schafe (Transhumanz) miterleben
- in einer alten getäfelten Stube sitzen
- den neuen Campus Transhumanz besuchen
- mit der Schnalstaler Gletscherbahn „fliegen“
- eine Gletscherhöhle mit Bergführer entdecken
- eine Weinverkostung mit Helmuth Raffeiner genießen
- die Schnalser Schneemilch probieren
- in einen Filzpantoffel aus Schnalser Schafwolle schlüpfen und am besten nie mehr ausziehen
- …
Es bleibt dem Tal, den Schnolsern und ihren Gästen nur zu wünschen: Mögen die hier gedrehten Streifen „Everest“, „Das finstere Tal“, „Heart of Stone“ oder „Tigers Nest“ niemals eine Mediensensation oder gar einen Hype in den Socials auslösen. Denn die eigentümliche Verschlafenheit, die raue Schönheit der Berge und die vielschichtigen Charaktere der Bewohnerinnen ist großes Kino genug.



